In Arzthaftungssachen gilt im Zusammenhang mit einem Sachverständigengutachten das Verbot der Überbeschleunigung gleichermassen

a) In Arzthaftungssachen kann ein Verstoß gegen das verfassungsmäßige Ver-bot einer “Überbeschleunigung” insbesondere dann vorliegen, wenn das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein – in der Regel schriftliches – Sachverständigengutachten veranlasst hätte, dieses Sachverständigengutachten aber in der Zeit zwischen dem Ende der Einspruchsbe-gründungsfrist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht hätte eingeholt werden können.

b) Verteidigungsmittel sind in der Regel nicht “nach Ablauf einer hierfür gesetz-ten Frist” (§ 296 Abs. 1 ZPO) vorgebracht, wenn das Gericht nach Ablauf der gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten (und verlängerten) Klageerwide-rungsfrist dem Beklagten ohne Fristsetzung nochmals Gelegenheit zur Kla-geerwiderung gibt.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2012 – VI ZR 120/11 – OLG Karlsruhe

ZPO § 296 Abs. 1, § 340 Abs. 3 Satz 3

BGH URTEIL VI ZR 120/11 vom 3. Juli 2012
in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte, eine niedergelassene Augenärztin, als Erbe seiner während des Berufungsverfahrens verstorbenen Ehefrau wegen der verspäteten Diagnose eines bösartigen Aderhautmelanoms auf Schadens-ersatz in Anspruch.
Die damals noch durch den Streithelfer anwaltlich vertretene Beklagte hat die Klageerwiderungsfrist versäumt. In der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2009 ist für sie niemand erschienen. Das Landgericht hat sie da-raufhin durch Versäumnisurteil, welches am 9. November 2009 zugestellt wur-
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de, zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 35.000 € verurteilt und dem Feststellungsantrag hinsichtlich des Ersatzes künftiger immaterieller und mate-rieller Schäden aufgrund der fehlerhaften Behandlung vom 10. März 2003 bis 12. Oktober 2004 stattgegeben. Die Beklagte hat fristgerecht Einspruch einge-legt, diesen aber in der Einspruchsfrist nicht begründet; ihren Antrag auf Ver-längerung der Einspruchsbegründungsfrist hat das Landgericht zurückgewie-sen. Erstmals mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009, vorgelegt im Einspruchs-termin vom 10. Dezember 2009, hat die Beklagte auf die Klage erwidert. Das Landgericht hat den Vortrag der Beklagten als verspätet zurückgewiesen und das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Re-vision verfolgt der Streithelfer der Beklagten den Antrag weiter, die Klage abzu-weisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht das Vor-bringen der Beklagten zu den behaupteten Behandlungsfehlern und deren Ur-sächlichkeit zu Recht nach § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Die Beklagte habe die – dreimal verlängerte – Frist zur Klageerwiderung (§ 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO) versäumt und den Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht fristge-recht begründet (§ 339 Abs. 1, § 340 Abs. 3 ZPO). Der im Einspruchstermin vorgelegte Schriftsatz sei daher gemäß § 296 Abs. 1 ZPO verspätet gewesen.
Die Zurückweisung verstoße nicht gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Sie habe nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässi-
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gen “Überbeschleunigung” geführt. Die Verzögerung wäre zwar möglicherweise auch dann nicht vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte ihre Einwendungen bereits in der Einspruchsschrift vorgebracht hätte. Darauf komme es aber nicht an. Maßgebend sei die Frist zur Klageerwiderung, die am 2. Juni 2009 abgelau-fen sei. Bei rechtzeitigem Verteidigungsvorbringen innerhalb dieser Frist hätte das Landgericht einen zeitnahen Erörterungstermin bestimmen oder nach § 358a ZPO verfahren können, so dass die im Einspruchstermin drohende Ver-zögerung nicht eingetreten wäre.
Das Berufungsgericht dürfe die Versäumung der Klageerwiderungsfrist berücksichtigen. Dass die Zurückweisung im Rahmen von § 531 Abs. 1 ZPO nicht auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift gestützt werden dürfe, stehe dem nicht entgegen. Das Landgericht habe die Zurückwei-sung nicht auf § 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO gestützt, sondern unmittelbar auf § 296 Abs. 1 ZPO und in der Sache zumindest auch damit begründet, dass die Be-klagte nicht rechtzeitig auf die Klage erwidert habe. Bei der Prüfung von Art. 103 Abs. 1 GG gehe es nur um die Frage, ob die Verzögerung bei rechtzei-tigem Vorbringen eingetreten wäre.
Gemäß § 531 Abs. 1 ZPO bleibe das zu Recht zurückgewiesene Vor-bringen im Berufungsrechtszug ausgeschlossen. Der Klägervortrag sei deshalb als unstreitig zu behandeln. Die Beklagte hafte gemäß § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB, weil sie die Augenhintergrunduntersuchung am 27. Juni 2004 feh-lerhaft durchgeführt, weitere medizinisch gebotene Befunderhebungen unter-lassen und das bösartige Aderhautmelanom infolgedessen nicht rechtzeitig er-kannt habe.
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II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Über-prüfung nicht stand. Entgegen seiner Auffassung bleibt der Beklagtenvortrag in der Berufungsinstanz nicht gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Das Landgericht hat die Verteidigungsmittel der Beklagten im ersten Rechtszug zu Unrecht zurückgewiesen.
1. Zwar führt das Landgericht die Vorschrift des § 296 Abs. 1 ZPO an, ohne ausdrücklich auf die Verweisung in § 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO Bezug zu nehmen. In seiner Zurückweisungsbegründung stellt es aber darauf ab, dass der Einspruchsführer seine Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb der Ein-spruchsfrist vorzubringen habe, soweit es einer sorgfältigen Prozessführung entspreche (§ 339 Abs. 1, § 340 Abs. 3 ZPO). Die lange Prozessdauer bis zum Versäumnisurteil dient dem Landgericht als Argument dafür, dass die Beklagte spätestens mit der Einspruchsschrift auf die Klage hätte erwidern können und müssen. Es führt aus, die Verspätung habe nicht durch Anordnungen nach § 273 Abs. 2 ZPO ausgeglichen werden können, weil der maßgebende Schrift-satz erst im Einspruchstermin übergeben worden sei. Dies bezieht sich nach dem Kontext auf die Versäumung der Einspruchsfrist und ihre Folgen. Daraus geht nicht eindeutig hervor, ob die Zurückweisung auf § 340 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 ZPO oder auch auf § 296 Abs. 1 ZPO in Verbin-dung mit § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestützt worden ist. Das kann aber offen-bleiben, weil die Voraussetzungen einer Präklusion nach beiden Alternativen nicht erfüllt sind.
2. Die Revision rügt zu Recht, dass die auf die Versäumung der Ein-spruchsfrist gestützte Zurückweisung gegen das verfassungsmäßige Verbot einer ohne weiteres erkennbaren “Überbeschleunigung” verstößt, wonach ein
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verspätetes Vorbringen nicht ausgeschlossen werden darf, wenn offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre (vgl. BVerfGE 75, 302, 316; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 296 Rn. 22; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 296 Rn. 64, 66).
a) Die zivilprozessualen Präklusionsvorschriften haben im Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG strengen Ausnahmecharakter, weil sie sich zwangsläufig nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken und einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich ziehen. Ihre An-wendung steht unter dem besonderen Gebot der Rechtssicherheit und Rechts-klarheit (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2001 – VI ZR 268/00, VersR 2002, 120, 121; BGH, Urteil vom 5. März 1990 – II ZR 109/89, NJW 1990, 2389, 2390; BVerfGE 75, 302, 312; BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 1988 – 2 BvR 1437/87, NJW 1989, 706; vom 9. Mai 2003 – 1 BvR 2190/00, juris Rn. 10 mwN). Allein der mit der Präklusion verfolgte Zweck einer Abwehr pflichtwidriger Ver-fahrensverzögerungen durch die Parteien rechtfertigt verfassungsrechtlich die Einschränkung des Prozessgrundrechts auf rechtliches Gehör (BVerfG, Be-schluss vom 26. August 1988, aaO).
Soll die Bestimmung des § 296 Abs. 1 ZPO ihre vorgesehene Aufgabe wirksam erfüllen, so muss sie klar und gegebenenfalls auch streng gehandhabt werden. Der Bundesgerichtshof vertritt deshalb in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es für die Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits allein darauf ankommt, ob der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbrin-gens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Dagegen ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen ebenso lange gedauert hätte. Das Gericht ist allerdings verpflichtet, die Ver-spätung durch zumutbare Vorbereitungsmaßnahmen gemäß § 273 ZPO so weit wie möglich auszugleichen und dadurch eine drohende Verzögerung abzuwen-
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den (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 1979 – VII ZR 284/78, BGHZ 75, 138, 141 ff.; vom 31. Januar 1980 – VII ZR 96/79, BGHZ 76, 133, 135 f.; vom 13. März 1980 – VII ZR 147/79, BGHZ 76, 236, 239; vom 26. März 1982 – V ZR 149/81, BGHZ 83, 310, 313; vom 2. Dezember 1982 – VII ZR 71/82, BGHZ 86, 31, 34 ff. mwN; vom 19. Oktober 1988 – VIII ZR 298/87, NJW 1989, 719, 720).
b) Die Anwendung dieses sogenannten absoluten Verzögerungsbegriffs ist grundsätzlich mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 75, 302, 316; BVerfG, NJW 1992, 679, 680). Die Zulässigkeit einer Präklusion wird verfassungsrechtlich allerdings bedenklich, wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Einerseits kann es nicht Sinn der der Beschleunigung dienenden Präklusionsvorschriften sein, das Ge-richt mit schwierigen Prognosen über hypothetische Kausalverläufe zu belasten und damit weitere Verzögerungen zu bewirken; diese Vorschriften dürfen aber andererseits auch nicht dazu benutzt werden, verspätetes Vorbringen auszu-schließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass die Pflichtwidrigkeit – die Verspätung allein – nicht kausal für eine Verzögerung ist. In diesen Fällen ist die Präklusion rechtsmissbräuchlich; denn sie dient erkennbar nicht dem mit ihr verfolgten Zweck. Da aber allein dieser Zweck, die Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen, die Einschränkung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs verfassungsrechtlich rechtfertigt, liegt in einem solchen Rechtsmissbrauch zugleich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfGE 75, 302, 316 f.; BVerfG, NJW 1995, 1417; BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – VII ZR 43/04, NJW-RR 2005, 1296, 1297; Beschluss vom 10. Februar 2011 – VII ZR 155/09, NJW-RR 2011, 526 Rn. 7; Deppenkemper in Prütting/ Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 296 Rn. 15; Zöller/Greger, aaO; Musielak/Huber, ZPO, 9. Aufl., § 296 Rn. 17; Leipold in Stein/Jonas, aaO Rn. 66 ff.; Münch-KommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 296 Rn. 81 f.; Hk-ZPO/Saenger, 4. Aufl., § 296
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Rn. 19). Durch die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbrin-gens soll nicht die prozessuale Nachlässigkeit einer Partei als solche sanktio-niert werden, und schon gar nicht soll die Anwendung dieser Vorschriften dem Gericht die Mühe einer der Sache nach gebotenen sorgfältigen Sachver-haltsaufklärung ersparen (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 107/86, BGHZ 98, 368, 374). Gerade in Fällen, in denen ein Sachverständigen-gutachten eingeholt werden müsste, stellt sich deshalb die Frage, ob dieselbe Verzögerung – offenkundig – nicht auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetre-ten wäre und einer Zurückweisung des neuen Vorbringens das verfassungs-mäßige Verbot einer Überbeschleunigung entgegensteht (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 1999, 214, 215; OLG Celle, BauR 2000, 1900, 1901; OLG Naumburg, VersR 2005, 1099, 1100; OLG Düsseldorf, GesR 2011, 668, 670; Mu-sielak/Huber, aaO, Rn. 18; Leipold in Stein/Jonas, aaO, Rn. 68).
c) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht das Beklagtenvorbrin-gen im Schriftsatz vom 9. Dezember 2009 rechtsfehlerhaft deswegen zurück-gewiesen, weil er seine Verteidigungsmittel nicht innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht hat. Nach den getroffenen Feststellungen drängt sich ohne weitere Erwägungen auf, dass eine durch den Beklagtenvortrag verursachte Verzöge-rung auch bei rechtzeitigem Vorbringen innerhalb der Einspruchsfrist eingetre-ten wäre.
Danach fand der Einspruchstermin, in dem die Beklagte ihre Einwendun-gen vorgebracht hat, weniger als drei Wochen nach dem Ablauf der Ein-spruchsfrist statt. Arzthaftungsprozesse sind in aller Regel nicht ohne sachver-ständige Beratung zu entscheiden (vgl. Senat, Urteile vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 107/86, aaO, 373; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 15. Juli 2003 – VI ZR 203/02, VersR 2003, 1541, 1542; Beschluss vom 28. März 2008 – VI ZR 57/07, GesR 2008, 361). Demgemäß ist
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das Landgericht selbst davon ausgegangen, dass es bei Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Dessen Einholung war aber offenkundig in der kurzen Zeit zwischen dem Ab-lauf der Einspruchsfrist und dem Einspruchstermin nicht möglich (vgl. zu einem denkbaren zeitlichen Ablauf in einem Arzthaftungsprozess OLG Düsseldorf, GesR 2011, 668, 670). Folgerichtig hat das Landgericht nicht festgestellt, wel-che Verzögerung die Versäumung der Einspruchsfrist unter diesen Umständen gegenüber einem Vorbringen innerhalb der Einspruchsfrist verursacht haben soll. Auch das Berufungsgericht hat dazu lediglich ausgeführt, dass die Verzö-gerung “möglicherweise” auch dann nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn die Beklagte ihre Einwendungen in der Einspruchsfrist vorgebracht hätte.
Die Revision rügt mithin zu Recht, dass durch die Versäumung der Ein-spruchsfrist keine Verzögerung gegenüber ihrer Einhaltung eingetreten ist und die darauf gestützte Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten mit der Be-gründung des Landgerichts gegen das verfassungsmäßige Verbot einer “Über-beschleunigung” verstößt und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Zu-rückweisung des Beklagtenvortrags auch nicht auf ein verspätetes Vorbringen im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO wegen einer Versäumung der Klageerwide-rungsfrist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO stützen. Auf die Vorlagefrage des Be-rufungsgerichts kommt es insoweit nicht an. Eine Zurückweisung des Vortrags der Beklagten durfte nach § 296 Abs. 1 ZPO nämlich schon deswegen nicht erfolgen, weil kein Verteidigungsmittel vorliegt, das erst nach Ablauf einer hier-für gesetzten Frist vorgebracht worden ist.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, maßgebend für die Zurückweisung sei die Frist zur Klageerwiderung, die trotz dreimaliger Verlängerung bereits am 2. Juni 2009 abgelaufen sei. Es hat dabei nicht beachtet, dass das Landgericht der Beklagten nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Erwiderungsfrist dreimal die Möglichkeit eingeräumt hat, noch auf die Klage zu erwidern. Denn es hat der Beklagten mit Verfügungen vom 26. Juni 2009, vom 21. September 2009 und vom 21. Oktober 2009 jeweils erneut Gelegenheit gegeben, die Klageerwi-derung nachzureichen. Dabei hat es zwar in der Verfügung vom 21. September 2009 der Beklagten aufgegeben, binnen einer Woche zur Klage Stellung zu nehmen. Danach hat es aber der Beklagten durch Verfügung vom 21. Oktober 2009 nochmals die Möglichkeit eingeräumt, ihre Verteidigungsmittel vorzubrin-gen, ohne hierfür eine Frist zu setzen. Unter diesen Umständen sind die Vo-raussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO für eine Zurückweisung verspäteten Vor-bringens nicht erfüllt.
III.
Da das Berufungsgericht den Beklagtenvortrag zu Unrecht für ausge-schlossen gehalten hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen, weil dieses – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Fest-stellungen zur Begründetheit des Anspruchs unter Berücksichtigung des Be-klagtenvortrags getroffen hat (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht muss gegebenenfalls auch Feststellungen dazu treffen, woraus sich das Fest-stellungsinteresse für den Feststellungsantrag des Klägers (§ 256 Abs. 1 ZPO)
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ergibt, nachdem seine Ehefrau während des Berufungsverfahrens verstorben ist.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.01.2010 – 8 O 86/09 –
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.03.2011 – 7 U 46/10 –

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