Im Arzthaftungsrecht gibt es zahlreiche Urteile, die die Rechte von Patienten und die Pflichten von Ärzten konkretisieren. Hier eine Auswahl der Entscheidungen mit Aktenzeichen, Namen und Erläuterungen:
1. „Wiederholungsgefahr bei Schmerzensgeldbemessung“
BGH, Urteil vom 8. Februar 2022 – VI ZR 409/19
Sachverhalt:
Ein Patient klagte auf Schmerzensgeld nach einer grob fahrlässig durchgeführten Operation. Der Arzt hatte bei der Durchführung eine Komplikation übersehen, die vermeidbar gewesen wäre.
Entscheidung:
Der BGH betonte, dass bei der Bemessung des Schmerzensgeldes neben der Kompensationsfunktion auch die Genugtuungsfunktion zu berücksichtigen ist. Grobe Fahrlässigkeit des Arztes führt zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes, um eine präventive Wirkung zu erzielen.
2. „Hygienemängel und Beweislast“
BGH, Urteil vom 19. Februar 2019 – VI ZR 505/17
Sachverhalt:
Ein Patient erlitt nach einer Operation eine Infektion. Er warf dem Krankenhaus Hygienemängel vor. Das Krankenhaus bestritt dies, ohne detailliert darzulegen, welche Hygienemaßnahmen ergriffen wurden.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass das Krankenhaus eine sekundäre Darlegungslast trägt. Es muss konkret nachweisen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Hygienevorschriften einzuhalten. Kann das Krankenhaus dies nicht, spricht dies für eine Haftung.
3. „Bedenkzeit bei Aufklärungsgesprächen“
OLG Köln, Urteil vom 16. Januar 2019 – 5 U 29/17
Sachverhalt:
Ein Arzt führte ein Aufklärungsgespräch direkt vor einer Operation durch, ohne dem Patienten eine ausreichende Bedenkzeit einzuräumen. Der Patient klagte nach Komplikationen.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass die Einwilligung des Patienten unwirksam ist, wenn ihm keine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird. Dies führt zur Haftung des Arztes. Im konkreten Fall wurde ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zugesprochen.
4. „Fremdkörper im Körper nach Operation“
OLG Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2018 – 5 U 102/18
Sachverhalt:
Nach einer Operation wurde bei einem Patienten ein Teil eines Operationsinstruments im Körper zurückgelassen, was zu weiteren Eingriffen führte.
Entscheidung:
Das Gericht stufte dies als groben Behandlungsfehler ein, der regelmäßig zur Haftung führt. Der Patient erhielt ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro.
5. „Fehlerhafte Implantate bei Zahnbehandlungen“
BGH, Urteil vom 13. September 2018 – III ZR 294/16
Sachverhalt:
Ein Zahnarzt setzte ein Implantat falsch ein, sodass die gesamte Behandlung für den Patienten unbrauchbar war.
Entscheidung:
Der BGH entschied, dass der Patient in solchen Fällen nicht zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist, da die Behandlung objektiv unbrauchbar war.
6. „Weiterleitung pathologischer Befunde“
BGH, Urteil vom 26. Juni 2018 – VI ZR 285/17
Sachverhalt:
Eine Hausärztin erhielt einen auffälligen pathologischen Befund eines Patienten, versäumte jedoch, diesen an den Patienten oder einen Facharzt weiterzuleiten. Der Patient erlitt aufgrund der Verzögerung gesundheitliche Schäden.
Entscheidung:
Der BGH stellte fest, dass Ärzte verpflichtet sind, pathologische Befunde unverzüglich weiterzuleiten. Ein Versäumnis begründet eine Haftung für Folgeschäden.
7. „Diagnostische Unterlassung als Befunderhebungsfehler“
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Mai 2018 – 7 U 32/17
Sachverhalt:
Ein Arzt versäumte es, einen Patienten zur weiteren Diagnostik einzubestellen, obwohl es Hinweise auf eine ernste Erkrankung gab. Dies führte zu einer späten Diagnose und verschlechterte die Heilungschancen.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass das Unterlassen notwendiger diagnostischer Maßnahmen einen Befunderhebungsfehler darstellt. Die Patientin erhielt ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro.
8. „Fehlerhafte Überwachung bei Geburt“
OLG Hamm, Urteil vom 19. März 2018 – 3 U 63/15
Sachverhalt:
Während einer Geburt wurden CTG-Daten, die auf eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Kindes hinwiesen, nicht rechtzeitig ausgewertet. Dies führte zu einer schweren Behinderung des Kindes.
Entscheidung:
Das Gericht bewertete dies als groben Behandlungsfehler. Es sprach dem Kind ein Schmerzensgeld von 400.000 Euro zu.
9. „Krankenhaushaftung für Belegärzte“
LG Münster, Urteil vom 1. März 2018 – 111 O 25/14
Sachverhalt:
Ein alkoholabhängiger Belegarzt führte Operationen durch, obwohl das Krankenhaus von seiner Abhängigkeit wusste. Ein Patient erlitt aufgrund von Behandlungsfehlern gesundheitliche Schäden.
Entscheidung:
Das Krankenhaus haftet in solchen Fällen für die Fehler des Belegarztes, da es seine Kontrollpflichten verletzt hat. Ein Schmerzensgeld wurde dem Patienten zugesprochen.
Arzthaftungsrecht
Die Urteile zeigen, dass Gerichte die Verantwortung von Ärzten und Krankenhäusern zunehmend konkretisieren. Wichtige Aspekte wie die Aufklärungspflicht, die sorgfältige Dokumentation von Hygienemaßnahmen und die rechtzeitige Weiterleitung medizinischer Befunde werden als zentrale Verpflichtungen angesehen. Für Patienten stärkt dies ihre Rechte auf angemessene Behandlung und Entschädigung im Falle von Behandlungsfehlern.